Ich mag Menschen
Ich mag Menschen. Ja, wirklich. Wenn ich jemanden kennenlerne, dann stehe ich dieser Person zunächst einmal positiv gegenüber. Ich denke nicht, dass die oder der mir Böses will, sondern bin positiv gestimmt und, sagen wir mal, neugierig. Mich interessiert die Geschichte dieser Person. Wo kommt sie her? Was hat sie erlebt bis zu diesem Punkt in ihrem Leben? Was macht sie aus? Was beschäftigt sie, was fesselt sie? Kurz gesagt, was hat sie zu der Person gemacht, die sie heute ist?
Ich mag Streetphotography
Manche sagen auch Straßenfotografie. Durch die Straßen ziehen, das Leben beobachten und in Bildern festhalten. Weiterziehen, mir Zeit nehmen, in der Menge verschwinden, schauen und ab und zu ein Bild. Nicht heimlich, nicht als Voyeur, sondern eben als Beobachter. Den Moment für immer festhalten. Herrlich!

Menschen in der Öffentlichkeit fotografieren? Lieber nicht.
Da ich Menschen mag und auch die Straßenfotografie, könnte man ja meinen, dass es für mich ein Leichtes ist, die Menschen in den Straßen zu fotografieren. Oder auf den Marktplätzen oder wo auch immer. Und dass ich das gerne und oft mache. Nun, ich mache das gerne, aber nicht oft. Und es ist keinesfalls leicht für mich. Warum ist das so?

Die Gedanken der Anderen
In Großstädten fällt es mir leichter, das Leben in der Stadt zu fotografieren. Da ist mehr los, ich bin anonymer und fühle mich nicht gleich so “ertappt”, wenn ich ein Foto mache. Berlin ist für mich perfekt für die Straßenfotografie. Ich mag das Gefühl, das ich habe, wenn ich durch die Stadt ziehe. “Berlin tut gut” hat Reinhard Mey mal gesungen. Genau, das passt für mich. Und dort zu fotografieren passt für mich auch.
Ich lebe aber in einer sehr viel kleinen Stadt. Herford in NRW. Ca. 66.500 Einwohner. Das ist natürlich mit Berlin nicht zu vergleichen. Durch die Straßen zu ziehen und in der Menge zu verschwinden ist In Ermangelung eben dieser Menge hier kaum möglich.
Hier ziehe ich nicht so sehr durch die Straßen mit der Kamera in der Hand. Hier fühle ich mich beobachtet. Was wahrscheinlich Quatsch ist. Warum sollten sich die Menschen für mich interessieren? Meistens sind wir viel mehr mit uns selbst beschäftigt, als mit den Menschen um uns herum. Interessante Gedanken zu dem Thema hat auch der Fotograf Sebastian Jacobitz in seinem Artikel zum Thema Straßenfotografie. Warum sollten sich Menschen mehr für uns interessieren, wenn wir eine Kamera in der Hand halten, als wenn sie uns beispielsweise beim Einkaufen sehen? Recht hat er.

Das Projekt
Ich will es wissen. Wie gehen die Menschen damit um, wenn ich sie fotografieren will? Und wie fühlt es sich für mich an?
Deshalb werde ich 30 Tage lang jeden Tag einen Menschen kennenlernen und ihn fotografieren. Keine Straßenfotografie, wie ich sie z.B. in Berlin gerne mache, sondern Portraits. D.h. ich werde mit meiner Kamera losziehen, eine mir fremde Person ansprechen und darum bitten, ein Foto machen zu dürfen. Das wird eine Herausforderung und ich bin gespannt darauf, wie sich das entwickelt.
Wird es mir leicht fallen, die Leute anzusprechen? Wie werden sie reagieren? Wieviel Absagen werde ich erhalten? Oder stehen die Menschen dem offener gegenüber, als ich vielleicht denke?
Wie entwickelt sich das Ganze im Laufe des Monats? Wird es mir mit der Zeit leichter fallen? Entwickeln sich aus der Situation vielleicht interessante Gespräche? Darauf hoffe ich.

Die Bedingungen
- Ich fotografiere jeden Tag genau eine Person. Ich werde also nicht an einem Tag mehrere Personen fotografieren und die Fotos dann auf die nächsten Tage verteilen.
- Die Person muss mir vor unserer Begegnung fremd gewesen sein. Ich fotografiere keine Verwandten, Freunde oder Bekannte.
- Jedes Foto findet am Ort unserer Begegnung statt. Ich hole die Menschen nicht in mein Studio oder suche einen besonders schönen Ort.
- Die Einwilligung der jeweiligen Person zu dem Foto muss relativ spontan kommen. Ich versuche nicht, jemanden zu überreden und ich fange auch keine Diskussion an. Wenn jemand nicht fotografiert werden möchte, ist das schließlich völlig ok.
- Alle Fotos werden mit derselben Kamera und mit demselben Objektiv gemacht. Für diejenigen, die es interessiert: Ich fotografiere mit einer Fujifilm X-T2 mit einer Voigtländer Festbrennweite Color-Skopar 25mm F4. Auf Kleinbild umgerechnet entspricht die Brennweite in etwa 37mm. Das Objektiv hat keinen Autofokus, es wird manuell fokussiert.
- Die fotografierte Person muss mit der Veröffentlichung der Fotos auf den verschiedenen Online-Plattformen einverstanden sein.
Das Projekt startet am Sonntag, 5. Juni 2022 und läuft über 30 Tage. Ich bin sehr gespannt auf diesen Monat. Und ich werde natürlich darüber berichten.
Wie sind Deine Erfahrungen und welche Meinung hast Du zu dem Thema? Betreibst Du selbst Straßenfotografie? Würdest Du das gerne tun, aber hast Du Bedenken bezüglich der Reaktion der Leute? Was würdest Du davon halten, wenn Dich jemand ansprechen und um ein Foto bitten würde?
Schreib’ doch gerne mal dazu etwas in die Kommentare und lass uns in einen Austausch zu diesem interessanten Thema kommen.
Sehr gutes Projekt und ich wurde Teilnehmer!
Ja, und das hat mich sehr gefreut! In ein paar Tagen kommen die Fotos auch noch auf die Internetseite 😊