Prag war weit mehr als ein Urlaub (siehe Teil 1 der Geschichte der FotoAuszeit). Es sollte für mich zu einem lebensverändernden Ereignis werden. Ich hatte diese wahnsinnig ergreifende Fotografie der World Press Photo Ausstellung gesehen und für mich stand fest, so wie diese Fotografen, so wollte ich auch fotografieren können. Neben dem Willen gehört dazu aber auch das Können und das hatte ich zu der Zeit nicht. Also war Ausbildung angesagt.
Eine intensive Zeit des Lernens begann. Regeln der Bildgestaltung, Farbenlehre, den richtigen Moment zu sehen, all das, was ich bisher nach Gefühl umgesetzt hatte, unterfütterte ich nun mit konkretem Wissen. Vor allem standen aber viele, viele Workshops bei bekannten Fotografen auf dem Programm. Denn in der Fotografie ist es wie in allen anderen Bereichen auch. Am besten lernt man durch Üben und immer wieder üben.

Das erste Projekt
Ca. ein Jahr nach der bewegenden Fotoausstellung in Prag war es dann soweit: Ich fühlte mich bereit für mein erstes eigenes Projekt. Meine Recherche ergab, dass es in meiner jetzigen Heimatstadt Herford ein Projekt statt ohne Obdach gab. Im Rahmen dieses Projekts sollten Wohnungslose aus Sozialwohnungen in eigenen Wohnraum vermittelt werden. Das hörte sich spannend an, das wollte ich fotografisch dokumentieren.
Nun kann man da nicht einfach so hingehen und sagen “Hey Leute, ich mache hier mal ein paar Fotos.” Gerade Wohnungslose, die von uns, der Gesellschaft, oft nicht sehr respektvoll behandelt werden, sind da sehr sensibel. “Du willst doch nur einen Zeitungsbericht machen und uns in die Pfanne hauen”. Das habe ich in der Anfangszeit nicht nur einmal gehört. Aber ich hatte Unterstützung. Die Diakonie, die auch die Wohnungslosen betreut, war auf meiner Seite und hat mir geholfen, mein wahres Vorhaben klarzumachen.
Und ich hatte es nicht eilig. Über Monate habe ich die Wohnungslosen immer wieder besucht und anfangs war die Kamera gar nicht dabei. So lernten wir uns kennen und mit der Zeit wuchs das Vertrauen. Die Menschen erzählten mir ihre Lebensgeschichten und ich durfte sie fotografieren. So manche sehr beeindruckende Stunde habe ich mit ihnen verbracht.

Die Ausstellungen
Jeder Mensch hat eine Geschichte und jede Geschichte verdient es, erzählt zu werden. Natürlich gilt das auch für Menschen ohne eigene Wohnung, die am Rande der Gesellschaft leben. Ich hatte in den zurückliegenden Monaten so viel bewegendes gehört, ich wollte die Geschichten dieser Menschen erzählen. Glücklicherweise war die Stadt Herford auf meiner Seite, später dann auch andere Orte. So konnten wir die Geschichte der Wohnungslosen erzählen.

Bei den Ausstellungseröffnungen und teilweise auch später im Verlauf der Ausstellungszeit waren sie dabei. Ich werde nie diese leuchtenden Augen vergessen. Plötzlich standen sie, die so oft nicht beachtet und manchmal sogar verschmäht wurden, im Mittelpunkt des Interesses. Die Zeitung war da, sie wurden interviewt, alles drehte sich um sie. Herrliche Momente, die sie und ich nie vergessen werden.
Mein erstes Fotoprojekt war ein voller Erfolg. Es sollte nicht das letzte sein.